Keine Fingerbreite Gewissensfreiheit bei staatlicher Sexualerziehung in NRW (27.08.2010)

Staatsgewalt schlägt bei Familie in Salzkotten erneut zu: 40 Tage Erzwingungshaft für Vater von 12 Kindern

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) 40 Tage ging Jesus in die Wüste um zu fasten.  Das liegt zwei Jahrtausende zurück und geschah freiwillig. 40 Tage ging jetzt ein Familienvater aus Salzkotten in die Einöde eines Gefängnisses, um sein christlich geprägtes Gewissen nicht beugen zu lassen. Das geschah vor zwei Tagen am Mittwoch. Der Vater von 12 Kindern ging allerdings nicht freiwillig, sondern wurde von Polizeibeamten und Streifenwagen abgeholt, weil an seiner Person Erzwingungshaft vollstreckt wird, die ein Amtsgericht angeordnet hat, nachdem Kinder der Familie an einigen wenigen Unterrichtsveranstaltungen nicht teilgenommen hatten.

In einer gestrigen Mitteilung von "Schulunterricht zu Hause", die MEDRUM vorliegt, heißt es:

"Wieder wurde ein Vater - diesmal einer von 12 Kindern! - Herr N.N. (Name ist der Redaktion bekannt) aus Salzkotten, in Erzwingungshaft gebracht, und zwar für 40 Tage! Er wurde am 25. August von zu Hause zum Vollzug abgeholt.

Grund für diese Verhaftung ist, daß Schulen, Schulbehörden und Gerichte die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Eltern - ein Menschen- und Grundrecht (Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK; Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. Art. 4 GG) -, ihre Kinder gemäß ihrem Glauben zu erziehen, mißachten. Herr N.N. und seine Ehefrau haben ihre Grundschüler an der atheistischen staatlichen Sexualerziehung und auch an Theaterveranstaltungen nicht teilnehmen lassen, die ihren Glauben konterkarieren."

Es wird für den Vater der 14-köpfigen Familie aus Salzkotten eine neuartige Erfahrung sein, auf die er liebend gerne verzichtet hätte. 40 Tage und Nächte muß er nun in der Justizvollzugsanstalt Hamm verbringen, weil seine Kinder einer Veranstaltung zur Sexualerziehung und einer Theateraufführung der Salzkottener Grundschule unerlaubt ferngeblieben sind. Wie bereits bei anderen Familien zuvor blieben Schulleitung und Schulbehörde auch im Fall dieser Familie uneinsichtig. Sie erteilten den Kindern der Salzkottener Familie keine Befreiung von Sonderveranstaltungen, die der Sexualerziehung und Aufführung eines Theaterstückes gewidmet waren. Doch die Eltern blieben bei ihrer konsequenten Haltung, ihre Kinder nicht an Veranstaltungen besonderer Art teilnehmen zu lassen, die sie mit ihrem christlichen Gewissen und ihrer elterlichen Erziehungspflicht nicht in Einklang bringen können.

Die staatlichen Organe verhängten deswegen Bußgelder in einer Höhe von insgesamt 1.090 EUR gegen den Vater. Der überzeugte Christ sah allerdings nicht ein, Buße zu tun, nur weil er seine Kinder vor einigen wenigen Schulveranstaltungen bewahren wollte, die er als unethisch beurteilte. Dabei ging es nicht um normales, routinemäßiges Unterrichtsgeschehen und übliche Inhalte schulischer Bildung, sondern um die Frage, nach welchen moralischen Leitvorstellungen seine Kinder erzogen werden sollen.

Die Kompromißlosigkeit der Schule und Gewissenstreue der Eltern kommen nun alle teuer zu stehen. 40 Tage Erzwingungshaft kosten den Steuerzahler ein Vielfaches von dem, was die Teilnahme eines Grundschulkindes an einer fragwürdigen Unterrichtsveranstaltung letztlich wert ist. Hinzu kommt, daß die Familie für 40 Tage zum Hartz IV - Empfänger wird. Denn das Arbeitseinkommen des Familienvaters entfällt während der Haft. Für die Ersatzleistungen muß ebenfalls der Steuerzahler aufkommen.

Das scheint für die Schulleitung und zuständige Schulaufsichtsbehörde jedoch keine Rolle zu spielen. Auch die Tatsache, daß zwölf Kinder und ihre Mutter für fast sieben Wochen auf den Vater verzichten müssen, fällt offenbar nicht ins Gewicht. Von Bedeutung ist vielmehr, den Willen der Familie zu brechen. Denn es soll erzwungen werden, daß die Eltern die Teilnahme ihrer Kinder an besonderen Schulveranstaltungen dem Diktat der Schulleitung unterwerfen. Wie in den vorherigen Fällen geht es nicht um den Erwerb von fachlicher Bildung, sondern ausschließlich um Sexualerziehung und Theateraufführungen, die fraglos unterhaltend sein mögen, deren Bildungs- und Erziehungswert aber aus wohlerwogenen Gründen bestritten werden kann.

Dies scheint eine Eskalation und einen sehr hohen Preis wert zu sein. Selbst die Arbeitsstelle des Ernährers der Familie ist nun gefährdet. Sein Arbeitgeber und seine Rechtsanwältin hatten sich bemüht, einen offenen Vollzug zu erwirken. Dies hätte es dem pflichtbewußten Mann ermöglicht, tagsüber an seiner Arbeitsstelle zu erscheinen und außerhalb der Arbeitszeit die Erzwingungshaft in der JVA abzusitzen. Doch obwohl der Arbeitgeber das Gericht wissen ließ, daß er dringend auf die Arbeitsleistung des Trockenbaumonteurs angewiesen ist, wurde dem Antrag nicht stattgegeben.

So droht der Familie nun auch noch der Verlust der Arbeitsstelle. Eine Abwesenheit von sieben Wochen kann die Firma nicht ohne weiteres hinnehmen, machte der Arbeitgeber zuvor klar. Falls sich ein qualifizierter Bewerber findet, könnte der Familie auch die baldige Arbeitslosigkeit des Vaters drohen. 14 Personen könnten so schnell zum Hartz IV-Dauerempfänger werden. Keine rosigen Aussichten also, weder für die Salzkottener Familie noch für die steuerzahlenden Bürger.

Die Folgen des Fernbleibens von einigen Schulveranstaltungen sind gewaltig. Der Versäumnis von in der Summe nicht einmal 10 Stunden Unterrichtsveranstaltung steht ein Bußgeld von 1.090 EUR, 40 Tage Erzwingungshaft, sieben Wochen Verdienstausfall und Hartz IV-Ersatzleistungen sowie eine mögliche längere Arbeitslosigkeit gegenüber. Der von Politikern verordnete Gesetzesrahmen und das Handeln der Staatsorgane machen eine solche Eskalation möglich, bei der das Wohl und Wehe einer Familie und das Kindeswohl von 12 Kindern beiseite geschoben wird.

Die Staatskanzlei von NRW sieht dies anders. Sie rechtfertigte aus Anlaß eines vorherigen Falles das Vorgehen im Auftrag des ehemaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) mit der Begründung, Eltern seien nicht berechtigt, ihre Kinder nur dann zu Schule zu schicken, wenn ihnen der Unterrichtsinhalt gerade zusage. "Sonderrechte" für einzelne Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung könne es nicht geben. Auf den konkreten Sachverhalt, die elterlichen Belange und die Frage der Verhältnismäßigkeit des staatlichen Zugriffs ging die Staatskanzlei nicht ein, obwohl längst nicht alles gut geheißen werden kann, was Schulen, Schulaufsichtsbehörden und Kultusministerien sich für Unterrichtsveranstaltungen so einfallen lassen, wie gerade erst an der Entscheidung des Kultusministeriums von Niedersachsen deutlich geworden ist, mit dem Buch "Selam Berlin" sexistische Trivialliteratur auf vulgärem Primitivniveau zur Pflichtlektüre in der Integrierten Gesamtschule zu machen.

Es dürfte niemanden verwundern, daß sich verantwortungsbewußte Eltern in bestimmten Fällen gegen einen staatlichen Eingriff in ihre elterliche Erziehungsverantwortung wehren. Sie wollen ihre Grundrechte wahrnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bestätigt, daß die elterlichen Grundrechte durch die Schulpflicht in zulässiger Weise beschränkt sind, hat aber ebenso klar festgestellt, daß die Schule nicht gegen die Glaubensvorstellungen der Eltern erziehen darf und im Einzelfall Konflikte zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern und dem Erziehungsauftrag des Staates im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen sind. Die praktische Konkordanz besteht in diesem Fall offensichtlich darin, daß die Schule auch bei einer umstrittenen Veranstaltung keine Freistellung für die Kinder erteilt, sondern den den staatlichen Machtapparat bis hin zur Vollstreckung von 40-tägiger Erzwingungshaft mit all seinen Konsequenzen wie in einigen anderen Fällen zuvor in Gang gesetzt hat.

Die Frage, ob die Proportionen zwischen elterlicher Verantwortung und staatlichem Eingriff im Fall Salzkotten den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und der Prüfung kritischer Vernunft standhalten, stellt nicht nur die Rechtsanwältin der Familie, sondern auch der Verstand eines kleinen Kindes. Das jüngste Kind der Familie, ein 8-jähriges Mädchen, kann das alles nicht begreifen, was für Schulbehörden und Politiker selbstverständlich erscheint. Als sein Vater abgeholt wurde, sagte sie: "Was, so lange muß der Papa wegbleiben, wegen einer Theateraufführung?"


Quelle: MEDRUM - Christliches Informationsforum www.medrum.de