NACHRICHTEN

Eltern beklagen Qualität der Schule

Mehrheit hilft Kindern bei den täglichen Hausaufgaben - Mütter aktiver als Väter

Frank Diering

29. Dezember 2004

Berlin - Jedes dritte Elternpaar in Deutschland ist mit der Qualität der Schulausbildung seiner Kinder unzufrieden. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der WELT. An der umfangreichen Befragung nahmen 1014 Elternpaare teil - die Ergebnisse überraschen: Denn danach interessieren sich die Eltern viel mehr für die Bildung ihrer Kinder, als oftmals von Politikern und Lehrerverbänden unterstellt wird. Für 81 Prozent der Befragten ist Bildung nämlich Sache der Eltern und nicht der Schule. 58 Prozent prüfen täglich die Schularbeiten ihrer Jüngsten. Allerdings erweisen sich die Anforderungen der Schule für 21 Prozent der Eltern als zu schwer, so daß sie nach eigener Auskunft ihren Kindern in der Regel nicht weiterhelfen können. So erhält auch etwa jedes vierte Kind in Deutschland (26 Prozent) Nachhilfeunterricht oder hat schon mal einen solchen bekommen.

92 Prozent der Mütter und Väter geben der Umfrage zufolge an, daß sie mindestens dreimal die Woche mit ihren Kindern über Erlebnisse in der Schule reden. 91 Prozent der befragten Eltern leisten Hilfe, wenn das Kind mit den Schularbeiten nicht weiterkommt. Darüber hinaus übt jedes zweite Elternpaar mit den Kindern regelmäßig den Schulstoff über die eigentlichen Hausaufgaben hinaus, und rund die Hälfte der Eltern fördert ihre Kinder außerschulisch - etwa mit Musik-, Mal- und Sprachunterricht. Drei Viertel der Eltern sagen, daß sie über die Elternsprechtage hinaus Kontakt mit den Lehrern und der Schule haben.

Je jünger die Eltern sind, desto größer ist ihr Zeitaufwand in Sachen Schulausbildung ihrer Kinder. Liegt der Wert der unter 29jährigen beim täglichen Prüfen der Schularbeiten bei 80 Prozent, sinkt er kontinuierlich, je älter die Eltern sind. In der Gruppe der 30- bis 39jährigen kontrollieren noch 69 Prozent die Hausaufgaben, bei den 40- bis 49jährigen ist es nur jeder Zweite, und bei den 50jährigen und Älteren sind es 38 Prozent der Elternpaare.

Je älter die Eltern sind, desto schwerer fällt es ihnen, den Kindern im Schulalltag behilflich zu sein. So sagen neun Prozent der unter 29jährigen, daß sie bei schulischen Lerninhalten in der Regel nicht weiterhelfen können. In der Gruppe der 50jährigen und Älteren sind es 36 Prozent. Beim Üben des Schulstoffes über die eigentlichen Hausaufgaben hinaus zeigen sich die jungen Eltern eifriger als die älteren. 87 Prozent der unter 29jährigen Elternpaare üben mit ihren Kindern mehr als die Schule verlangt. In der Gruppe der 50jährigen und Älteren sinkt der Wert auf 35 Prozent.

Beim Blick auf das Bildungsniveau der Eltern zeigt sich, daß - wie zu erwarten ist - die bildungsnahen weniger Probleme haben, ihre Kinder in Sachen Schule zu unterstützen als die bildungsfernen. Nur 13 Prozent der Abiturienten und Hochschulabsolventen unter den Eltern geben an, ihren Kindern nicht weiterhelfen zu können. Bei Eltern mit Volksschulabschluß und Lehre steigt dieser Wert auf 27 Prozent.

Das bedeutet im Umkehrschluß allerdings nicht, daß besser gebildete Eltern automatisch mehr für ihre Kindern tun. Zwar sind es nur 44 Prozent der Elternpaare mit Volksschulabschluß und Lehre, die ihren Kindern über die Schule hinaus Musik-, Mal- und Sprachunterricht zuteil werden lassen (bei Eltern mit Abitur 67 Prozent). Doch 52 Prozent üben zumindest regelmäßig mit ihren Kindern den Schulstoff über die eigentlichen Hausaufgaben hinaus (41 Prozent bei Eltern mit Abitur).

Was Lehrer und Philologen aber nicht verwundern dürfte: Die Anteilnahme in Sachen Schule liegt bei den Müttern höher als bei den Vätern. Erziehung gemessen in Betreuungszeit ist in Deutschland überwiegend Frauensache. Kein Wunder also, daß 97 Prozent der Mütter zum Beispiel über Geschehnisse wie das letzte Schulfest besser informiert sind, während im direkten Vergleich nur 85 Prozent der Väter Details über eine vermeintliche Keilerei ihres Jüngsten auf dem Schulhof berichten können. Ebensowenig überraschend ist, daß 92 Prozent der Mütter sich mit Bruchrechnung und Wurzelziehen bei den Schularbeiten herumplagen und nur 85 Prozent der Väter das letzte Übungsdiktat, weil gelesen und geübt, im Wortlaut kennen. Nicht verwunderlich wohl auch, daß 90 Prozent der Mütter den Namen des Mathelehrers kennen, während den nur 71 Prozent der Väter wissen. Und auch, daß 83 Prozent der Mütter (54 Prozent der Väter) die Schule über die Elternsprechtage hinaus aufzusuchen, ist letztlich wohl der in Deutschland gängigen Arbeitsteilung unter Eltern geschuldet. Festzuhalten bleibt: Die Zufriedenheit mit der Schulausbildung der Kinder ist um so größer, je besser die Bildung der Eltern ist, je höher der Verdienst, je größer die Anzahl der Personen in einem Haushalt und je kleiner die Ortschaft, in der die Familie lebt.

Als wahre Elternparadiese, gemessen am Grad der Zufriedenheit, erweisen sich Thüringen und Sachsen. Die größte Kritik am Bildungswesen kommt von alleinstehenden Eltern mit Volkschulabschluß ohne Lehre und einem Haushaltseinkommen von weniger als 1000 Euro, die in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt leben.

Artikel erschienen am Mi, 29. Dezember 2004