NACHRICHT

Strafsache, Hamburg

 

Wegen Verstoßes gegen das Hamburgische Schulgesetz mußte sich ein Ehepaar vor dem Amtsgericht in Altona verantworten. Die beiden Angeklagten hatten ihre Kinder von der Schule abgemeldet und unterrichten sie seitdem selbst bei sich Zuhause. Hilmar Zschach vom NDR berichtet vom ersten Verhandlungstag am 31.01.2006, gesendet auf NDR 90,3 am gleichen Tage:

 

Amtsrichter Volker Stegmann möchte wissen, wie der Unterricht Zuhause durchgeführt wird. Und der Angeklagte berichtet, wie kürzlich beim Essenzubereiten fast etwas aus der Pfanne geschwappt wäre. Das sei dann das Thema des Tages geworden. Dabei dreht sich der studierte Mathematiker zu seinem fünfjährigen Sohn im Gerichtssaal um und der kleine Privatschüler verweist allen Ernstes auf das Massenträgheitsgesetz.

 

Auch die fünf anderen Kinder im Alter bis zu 14 Jahren machen im Gericht nicht den Eindruck, als seien sie in irgendeiner Weise zurückgeblieben. Während ihre Eltern auf der Anklagebank sitzen, kümmern sich die Großen auf zärtliche Weise um die kleinen Geschwister und fallen dabei durch beeindruckende soziale Kompetenz auf.

 

Ihre Eltern weigern sich aus christlicher Überzeugung, die Kinder in öffentliche oder private Schulen zu schicken. Die Heilige Schrift ist ihr unumstößliches Gesetz, das für sie über dem Hamburger Schulgesetz angesiedelt ist.

 

 

"Wir gehören zu den Menschen, die ihre Kinder lieb haben" erklärt der Angeklagte. Schon deshalb will er ihnen die qualvollen Erfahrungen des Schulalltags ersparen. Bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist ihr Verwaltungsrechtsstreit mit der Behörde bereits gegangen.

 

Aber in Hamburg ist das Verhalten der Eltern auch strafbar. Da wirkt es, wie eine kleine Demonstration, wenn die 12-jährige Tochter während der Verhandlung intensiv ein nicht amtliches Gesetzbuch studiert, nämlich die Bibel.

 

 

Die Eltern wurden - am dritten Verhandlungstag - zu je 420 € verurteilt. Aus der mündlichen Urteilsbegründung ist insbesondere interessant, daß das Gericht unter zwei Bedingungen von der Verhängung einer Strafe abgesehen hätte, nämlich, wenn die Eheleute sich in einer religiös motivierten "unerträglichen Pflichtenkollision" befunden und nachgewiesen hätten, daß sie für ihre Kinder ein "adäquates Surrogat" zur Schule geschaffen haben. Dazu hatte das Gericht ihnen die Möglichkeit gegeben, einen exakten Stunden- und Lehrplan vorzulegen, nach dem die Kinder zu Hause unterrichtet werden.

 

 

siehe auch: TAZ-Bericht von Elke Spanner taz Hamburg vom 18.02.2006 S. 25,  www.taz.de/pt/2006/02/18/a0033.1/text.ges,1)