Zu den Sorgerechtsentscheidungen des BGH bei Hausunterricht

                                                             
Pressemitteilung vom 21. November 2007


Löst der BGH den Rechtsstaat "im Interesse der Allgemeinheit" auf?
Folgt der BGH der Rechtsprechung des NS-Regimes?


Diese zwei Fragen stellen sich bei den zwei jüngsten Beschlüssen des BGH (XII ZB 41/07 und XII ZB 42/07) zum Sorgerecht (§§1666 und 1666a BGB).

Der BGH greift durch diese beiden Entscheidungen rechtswidrig in das elterliche Sorgerecht (Art. 6 II GG) ein. Die Entscheidungen sind verfassungswidrig.

Das Kindeswohl von fünf deutschen Kindern, die in Österreich nach österreichischem Schulrecht rechtmäßig zu Hause unterrichtet werden, ist nicht und war nie durch die Hausunterrichtung gefährdet.

Die Voraussetzungen für den vom BGH bestätigten Sorgerechtsentzug mit Fremdplatzierung liegen nicht vor.

Dieser setzt ein Erziehungsversagen der Eltern und eine drohende Verwahrlosung der Kinder (Art. 6 III GG) voraus. Beides liegt offensichtlich nicht vor.

Die beschwerdeführenden Eltern hatten ihre Kinder aus der deutschen staatlichen Schule genommen, weil diese u.a. mit ihrer ausschließlich emanzipatorischen, fächerübergreifenden Sexualerziehung ab der ersten Grundschulklasse die christliche Glaubenserziehung der Eltern unterläuft. Solcher Unterricht verletzt die staatliche Neutralitätspflicht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31.05.06 - AZ: 2 BvR 1693/04, S. 5 u. 8) und ist damit verfassungswidrig. - Die Eltern hatten zunächst ihre Kinder zu Hause mit dem staatlich zertifizierten Fernschulmaterial der Deutschen Fernschule (DF) unterrichtet. Diese Fernschule unterrichtet seit über 30 Jahren erfolgreich deutsche Grundschüler, die sich mit ihren Eltern im Ausland aufhalten. Die DF wird vom Auswärtigen Amt empfohlen. Nachdem den betroffenen Eltern wegen dieser Unterrichtung das Sorgerecht - im Eilverfahren, ohne Anhörung - entzogen worden war, gingen die Mütter mit ihren fünf Kindern nach Österreich, während die Väter mit den älteren Kindern in Deutschland blieben. Den Eltern wurde in Österreich die Hausunterrichtung gestattet. Sie unterrichten dort jetzt im 3. Jahr mit Erfolg, wie die jährlichen staatlichen Examinationen der Kinder erwiesen haben.

Eine Kindeswohlgefährdung durch die Hausunterrichtung liegt offensichtlich nicht vor.

Das Kindeswohl wird aber verletzt, wenn Grundschüler von Schule und Elternhaus konträr erzogen werden. Dazu - wie auch zu den Folgen und Auswirkungen, die die Trennung der Kinder von ihren Eltern und Geschwistern sowie ihre Fremdunterbringung auf das konkrete Kindeswohl haben würden - schweigt der BGH.    

Der BGH begründet deshalb den Sorgerechtsentzug auch letztlich nicht mit dem Kindeswohl, sondern mit dem "Interesse der Allgemeinheit" an der Durchsetzung der Schulpflicht zur Vermeidung von religiösen oder weltanschaulichen Parallelgesellschaften. Es geht dem BGH also nicht darum, die Kinder vor angeblichem Erziehungsversagen der Eltern und Verwahrlosungsgefahr  zu schützen, sondern die Allgemeinheit vor Parallelgesellschaften.

Die §§ 1666 und 1666a BGB dienen dem Schutz von Kindern, aber nicht dem Schutz der Allgemeinheit.

Der BGH hat sich im Übrigen mit dem "Interesse der Allgemeinheit" eines Instrumentariums bedient, das der BGH willkürlich über das Grundgesetz erhebt und womit er sich in die Lage versetzt, jegliche Eingriffe in Grundrechte zu rechtfertigen. Das ist das Ende des Rechtsstaates und unserer freiheitlichen Demokratie, die auch Minderheiten schützte.

Eine Parallelität der BGH-Entscheidung zu der Rechtsprechung des NS-Regimes lässt sich nicht leugnen:

Das Landgericht Hamburg entzog am 5. Juni 1936 Zeugen Jehovas das Sorgerecht für ihre Kinder mit der Begründung (Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt, 28. Jg. 1936/37 S.281 f, Auszug aus: www.manfred-gebhard.de/1936.htm):

"Das Sorgerecht ist Eltern, die als fanatische Bibelforscher ihre Kinder nicht im Sinne des heutigen Staates erziehen können und wollen, wegen Gefährdung des geistigen Wohles der Kinder, denen dadurch die Eingliederung in die Volksgemeinschaft unmöglich gemacht wird, zu entziehen."