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Christina geht nicht in die Schule

Alex Blinten

18. Januar 2005

HERSBRUCK/SCHWARZENBRUCK - Wer in Bayern sein Kind nicht in die Schule schickt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss sich vor Gericht verantworten - so auch das Ehepaar Großelümern aus Schwarzenbruck, gegen das gestern vor dem Amtsgericht in Hersbruck verhandelt wurde.

Wegen ihres christlichen Glaubens lehnen Jörg und Esther Großelümern es seit zwei Jahren ab, ihr Töchterchen Christina in die öffentliche Schwarzenbrucker Schule zu schicken. Christina wird zu Hause unterrichtet. Sie bekommt Fernunterricht nach einem Fernschulprogramm der Philadelphia-Schule Siegen. Fernunterricht für Kinder ist an sich nichts Ungewöhnliches. Kinder von herumreisenden Zirkusfamilien etwa oder von im Ausland lebenden und arbeitenden Eltern werden so unterrichtet.

Das Kind wird mit Schulbüchern unterrichtet, die an öffentlichen Schulen gang und gäbe sind, hat Ferien wie die anderen Kinder im Freistaat auch und bekommt Unterricht nach dem bayerischen Lehrplan. Es soll zum Ende seiner Schulzeit eine Externenprüfung machen, einen qualifizierenden Abschluss erhalten und bei entsprechender Begabung einmal auf eine Hochschule gehen.

Dass die Achtjährige nicht auf die öffentliche Schule gehen darf, liegt an den christlichen Grundüberzeugungen der Eltern. In einem einstündigen Vortrag legte Jörg Großelümern dem Gericht die Motive für die Ordnungswidrigkeit dar, die er und seine Frau mit dem Heimunterricht Christinas begehen. Besonderes Gewicht legte der Software-Entwickler dabei auf die aus seiner Sicht falsche Sexualerziehung von Kindern in öffentlichen Schulen, die die Intimsphäre von Kindern und Familien massiv verletze. Besonders empört sind die Großelümerns über die Einführung von Sexualerziehung bereits für Erstklässler. Ein solcher Unterricht, der die Persönlichkeitsrechte der Kinder verletze, sei nicht an christlichen Werten orientiert. Der Fall der Auerbacher Schwestern, die Abbildungen in Biologiebüchern überkleben ließen, habe gezeigt, dass sich das Kultusministerium auf die Seite der emanzipatorischen Sexualerziehung gestellt habe. Das Schwarzenbrucker Ehepaar sieht auch einen direkten Zusammenhang zwischen Sexualkundeunterricht und dem Überfall auf ein 10-jähriges Mädchen an der Schwarzenbrucker Grundschule im Jahr 1997. Damals fielen zwei ebenfalls zehn Jahre alte Jungen über ihre Klassenkameradin her und zwangen sie zu sexuellen Handlungen.

"Wir wären in unserer Familiensphäre verletzt, wenn Christina mit der staatlichen Sexualerziehung und dem Sexualverhalten ihrer Mitschüler nach Hause käme", so Jörg Großelümern, der die Familie in einem solchen Fall als Kampfplatz zwischen Familienmoral und Staatsmoral sieht.

Christina ist übrigens ein völlig normales und aufgewecktes Kind - obwohl sie noch nie an einem Schulunterricht in der öffentlichen Schule teilgenommen hat. Sie hat Freundinnen in der Nachbarschaft, ist beim TSV Ochenbruck aktiv und besucht mit ihren Eltern einen Schwimmkurs. Regelmäßig nimmt sie an Projektwochen der Heimschulorganisation teil, wo sie andere Kinder trifft, die ebenfalls von ihren Eltern daheim unterrichtet werden. "Grundsätzlich", sagt Christinas Vater, "habe ich nichts gegen eine Schulpflicht." Es müsse aber eine Übereinstimmung zwischen Schule und Eltern über die Erziehungsinhalte geben. Diese Übereinstimmung gibt es aber für die Großelümerns mit der Schule nicht. Solange an bayerischen Schulen bereits in den ersten Jahren Sexualkundeunterricht obligatorisch ist, will das Schwarzenbrucker Paar seine Tochter vor dem Schulbesuch bewahren. "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir", schloss Jörg Großelümmern seinen Vortrag mit einem Luther-Zitat. Seine Frau Esther hofft nun auf eine Einigung mit den Behörden: "Sonst bleibt uns im schlimmsten Fall nur noch übrig, nach Österreich auszuwandern." Dort ist es kein Problem, Kinder daheim zu unterrichten. Bekannte der Großelümerns haben den Weg in die Alpenrepublik bereits vor geraumer Zeit

angetreten.

Der Regionalteil dieser Webseite berichtet über den Fortgang der Verhandlung.

© DER BOTE, FEUCHT