NACHRICHTEN

Verstoß gegen das Schulgesetz -

Eltern müssen Geldbuße zahlen

6. November 2003

Gießen/Gemünden – Im Prozess um die Schulpflicht ihrer Kinder ist ein bibeltreues Elternpaar aus Gemünden/Felda gerichtlich verwarnt worden. Das Gießener Landgericht verurteilte die Eltern von acht Kindern zu einer Geldbuße von 400 Euro. Falls die Eheleute in den nächsten zwei Jahren erneut gegen das Schulgesetz verstoßen, kämen weitere 800 Euro Geldstrafe hinzu, sagte die Vorsitzende Richterin am Mittwoch. Die Kammer hob damit einen überraschenden Freispruch des Amtsgerichts Alsfeld auf.

»Staatliche Schule ist unausweichlich«, erklärte die Richterin. Es sei Sache der Verwaltungsbehörden, die Schulpflicht in Zukunft auch durchzusetzen, sagte Oberstaatsanwalt Volker Uhl. Das Gericht folgte mit dem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verwarnung, die die Kammer aussprach, ist die mildeste Sanktion im Strafgesetzbuch.

Das Ehepaar Sigrid und Michael Bauer aus dem Vogelsberg hatte geklagt, öffentliche Schulen unterwanderten ihre christlichen Erziehungsideale wie Schamhaftigkeit und Gehorsam gegenüber den Eltern. Seit mehr als zwei Jahren unterrichten sie ihre fünf schulpflichtigen Kinder daher zu Hause. Alle acht Kinder des Paares - sie sind zwischen 10 Monate und 16 Jahre alt - nahmen an der Verhandlung teil. Besonders stören sich die Eheleute an der »ausschließlichen« Weitergabe der Evolutionstheorie und an der angeblich »ständigen Konfrontation« mit dem Thema Sexualität.

Im Gegensatz zur ersten Instanz war für das Landgericht Gießen die allgemeine Schulpflicht von höherer Bedeutung als die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Eltern. Weil die Pflicht zum Schulbesuch jedoch das so genannte elterliche Erziehungsrecht erheblich einschränke, müsse der Unterricht »streng neutral« gehalten werden. Im vorliegenden Fall sah die Kammer aber keinerlei »unerlaubte Indoktrination« der Kinder. Dass die Evolutionstheorie gelehrt werde, sei nicht zu beanstanden, sagte Richterin Gertrud Brühl. Auch das Konzept der Sexualkunde basiere auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens zur sexuellen Selbstbestimmung - wenn der Unterricht teils auch »hart grenzwertige« Beispiele aufgreife. »Die Schulwirklichkeit entspricht dem, was Kinder tagtäglich erleben.«

Die Verteidigung, die den Prozess mit einer Flut von Anträgen zum Stocken gebracht hatte, plädierte erneut auf Freispruch. »Indem sie die Kinder in die Schule schicken, verletzen sie jedes Mal Gottes Wort«, erklärte Rechtsanwältin Gabriele Eckermann. »Ihre Verbindung zu Gott wird gestört.« Gerade die Sexualkunde führe bei Schülern zu einer »Früh-Sexualisierung«. Ob die Angeklagten beim Oberlandesgericht in Frankfurt Revision einlegen, konnten sie am Mittwoch zunächst nicht sagen.